Römische Seitenzahlen im Vorderteil (und im Endteil)?

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Noch so einer

Römische Seitenzahlen im Vorderteil (und im Endteil)?

Beitrag von Noch so einer »

Besonders in älteren Büchern, aber auch in einigen aktuellen Buchreihen einiger Verlage findet man im Teil des Buches vor dem ersten Kapitel, also Schmutztitel, Frontispiz, Haupttitel, Impressum, Widmung, Vorwort, Inhaltsverzeichnis und weitere Verzeichnisse gerne römische Seitenzahlen, während der Hauptteil ganz normal arabisch nummeriert ist. Der typographisch nicht so bewanderte Autor fragt sich natürlich, ob er das für seine wissenschaftliche Arbeiten auch so machen soll.

Zunächst sei erwähnt, dass man das fast nur bei Fach- und Sachbüchern so gemacht hat und teilweise heute noch so macht. Heute ist es vor allem in der anglo-amerikanischen Fachliteratur noch weit verbreitet (mit Betonung auf amerikanisch). Veröffentlicht man in einer Buchreihe, in der der Verlag das so macht, dann hat man es zu tun, ob man es mag oder nicht. Wobei in der Regel dann auch der Verlag vorgibt, welche logische Seitenzahl die einzelnen Seiten bekommen, bzw. welche logische Seitenzahl das Inhaltsverzeichnis bekommt, falls der Verlag die Titelseiten selbst erstellt.

Für andere Arbeiten sollte man den Ursprung und den Sinn einer solchen getrennten Nummerierung der Seiten kennen: Früher wurden Bücher entweder mit beweglichen Lettern oder (später) mit Bleisatzmaschinen erstellt. Dabei musste der Setzer alle Seitenverweise von Hand erstellen. Das galt nicht nur für die Querverweise im Text, sondern auch für die Seitenzahlen in der Verzeichnissen. Dazu kam die Gepflogenheit, dass man zum eigentlich fertigen Buch gerne noch einen Experten um ein Vorwort bat. Zwar war es üblich, sich dabei auf ein bis zwei Seiten zu beschränken, es kam aber auch immer wieder vor, dass ein Vorwort ausuferte oder sogar noch ein zweites hinzugefügt wurde, beispielsweise weil dem Autor selbst auch noch einfiel, dass er doch noch ein paar einleitende Worte schreiben könnte. Auch stand am Anfang des Setzens nicht immer fest, ob nun beispielsweise ein Abbildungsverzeichnis erstellt werden soll oder nicht. Der Setzer hatte also keine Ahnung, auf der wievielten Seite das erste Kapitel beginnt. Hätte er sich dabei verschätzt, hätte er min. alle Absätze/Seiten mit Querverweisen neu setzen müssen (an Bleisatzmaschinen fast noch aufwändiger als bei beweglichen Lettern, da man ggf. die ganze Seite hätte neu eingeben und gießen müssen). Die einfachste Lösung für dieses Problem war: Das erste Kapitel beginnt immer auf Seite 1 und die Seiten davor werden getrennt nummeriert. Damit es keine zwei Seiten 1 gibt, nummerierte man diese Seiten römisch – meist mit kleinen römischen Zahlen, nicht mit großen, weil große römische Zahlen sehr breit laufen und unruhig wirken. Der Setzer konnte dann also zunächst den Hauptteil (und den Endteil) und erst dann den vorderen Teil setzen. Da die Seiten des Vorderteils nicht referenziert wurden (es war nicht üblich Verzeichnisse im Inhaltsverzeichnis aufzuführen, aber selbst die eine Stelle zu ändern, wäre nicht extrem aufwendig gewesen) spielte es auch keine Rolle wie viele Seiten in diesem noch hinzugefügt oder entfernt wurden.

Damit ist auch klar, warum man das nur für den Vorderteil und nicht für den Endteil mit Literaturverzeichnis, Stichwortverzeichnis etc. gemacht hat. Zum Zeitpunkt, wenn diese gesetzt werden, stehen (bei römischer Nummerierung des Vorderteils) bereits alles Seitenzahlen der im Endteil referenzierten Seiten fest. Es spielt auch keine Rolle, ob im Endteil noch Seiten (beispielsweise wegen eines Glossars) hinzugefügt werden. Die Seiten des Endteils werden nicht oder allenfalls im Inhaltsverzeichnis referenziert. Es gab also keinen Grund diesen Teil getrennt zu nummerieren. Trotzdem gibt es ältere Bücher, bei denen diese Seiten tatsächlich gar nicht nummeriert sind. Sie wurden nicht referenziert, also gab es keinen Notwendigkeit für Seitenzahlen und der Setzer konnte sich die Arbeit sparen. Hingegen wäre kein Setzer auf die Idee gekommen, das Ende noch einmal römisch zu nummerieren. Das hätte nämlich entweder bedeutet, dass es mehrere Seiten mit gleicher Nummer gegeben hätte oder dass beispielsweise zwischen Seite vi und Seite vii achthundert Seiten stehen. In beiden Fällen nützen dem Leser die Seitenzahlen nichts mehr. Er hat jedenfalls keine Orientierung. Überspitzt gesagt: Was nicht nützt, schadet, also lässt man es.

Nebenbei bemerkt, führte die Satzproblematik auch dazu, dass es als unfein galt, Seitenverweise auf spätere Seiten in späteren Kapiteln des Buches zu setzen. Man beschränkte sich ggf. auf Verweise in Kapitel oder Abschnitte. Seitenverweise auf frühere Seiten waren hingegen immer unproblematisch. Manchmal findet man in älteren Büchern auch, dass Abbildungen immer auf einem eigenen Blatt stehen und diese Seiten nicht mit nummeriert werden. Das hatte verschiedenen Gründe (u. a. andere Drucktechnik, die Möglichkeit, bei späteren Auflagen auf die teuren Bildseiten zu verzichten oder weitere hinzuzufügen etc.). Einer war aber ebenfalls, dass man diese Seiten zwischen den Signaturen (das sind Bündel von Seiten, die zusammen auf einen Bogen gedruckt und quasi als kleine Heftchen gefaltet/gebunden und erst dann zusammen gebunden werden) einfügte und deshalb ihre genaue Position nur schätzen konnte bzw. dem Buchbinder überlassen war.

Heute ist die Situation eine ganz andere. Sämtliche Querverweise werden vom Computer automatisch erzeugt. Zwar kann das Einfügen von Seiten noch immer dazu führen, dass ein Absatz neu umbrochen wird, aber die entsprechende Endkontrolle kann problemlos auf den Zeitpunkt nach Redaktionsschluss verschoben werden – häufig wird aber auch darauf vertraut, dass durch eine min. Verschiebung keine riesigen Satzprobleme entstehen. Um es jedoch auf den Punkt zu bringen: Es gibt keine satztechnische Notwendigkeit mehr für die getrennte Nummerierung des Vorderteils. Einen typografischen Nutzen hat der Leser davon auch nicht. Ich ziehe daraus den Schluss, dass man es lassen sollte.

Teilweise wird als Argument für die getrennte Nummerierung von Vorder- und Endteil angeführt, dass man so besser sehen könne, wie viele Seiten der Autor tatsächlich selbst geschrieben habe. Dann müsste man aber nicht nur alle Vakatseiten (das sind leere Seiten beispielsweise vor Kapitelanfängen) aus der Nummerierung herausnehmen und hätte damit nicht mehr einheitlich links gerade und rechts ungerade Seiten, was sehr störend ist, man müsste auch für alle Bücher der Welt, das exakt gleiche Layout verwenden. Anderenfalls fallen die paar Seiten am Anfang und Ende kaum ins Gewicht. Mehr noch: Jeder Schüler der dritten Klasse ist in der Lage von 892 Seiten 12 Seiten am Anfang und 24 Seiten am Ende abzuziehen und so die Zahl der selbst geschriebenen Seiten zu ermitteln. Außerdem würdigt ein solches Vorgehen nicht die Arbeit, die in guten Verzeichnissen steckt. Ein guter, mehrseitiger Index kann durchaus sehr viel mehr Zeit kosten, als das Schreiben von einer Seite Ausblick (für diese eine Seite werden dann ggf. auch noch mit Vakatseite zwei gezählt!).

Zusammenfassung: Die getrennte Nummerierung des Vorderteils hat ursprünglich satztechnische Gründe, die es heute nicht mehr gibt. Heute macht man es nur noch, wenn ein Verlag das unbedingt will. Die getrennte Nummerierung des Endteils ist albern, war nie gut begründet und sollte unterbleiben. Zerrissene Nummerierung sollte aus Rücksicht auf den Leser grundsätzlich unterbleiben. Identische Seitenzahlen sind ebenfalls unbedingt zu vermeiden. Die einfachste Lösung heute ist: arabische Nummerierung für das gesamte Dokument.